Norseman 2014 - Part 2

"Did not finish" is better than "Did not start"

Ich sah den Gaustatoppen und ich sah bald auch die steile Bergstrasse, die mich zu ihm fuehren sollte. Kurz vor Rjukan die scharfe Linkskurve, ueber die Bahngeleise hinueber und dann begann auch schon der Anstieg. Ich begann sofort zu gehen. Ab hier war es dem Support erlaubt, neben dem Athleten herzulaufen oder ihn mit dem Rad zu begleiten. Bente ging neben mir und war mit Getraenken ausgeruestet, Stein fuhr auf dem Rad nebenher und reichte mir Bananenstuecke. Mein Tempo pendelte sich auf einen Schnitt von 10 Minuten pro KM ein. Die letzten Zweifel ob ich den Cut schaffen wuerde, waren nun vollends beseitigt. In keiner Phase des Rennens fuehlte ich mich so stark wie jetzt und ich war mittlerweile ueber 11 Stunden unterwegs. Ich konnte das Tempo forcieren und liess zahlreiche Konkurrenten foermlich stehen. Nun began ich mir eine theoretische Chance auszurechnen unter 14 Stunden bleiben zu koennen. Der Kontrollposten bei KM 32.5 wo sich die Wege teilen, war nun nicht mehr weit. Wenn man bis hierhin mehr als 14:30 Stunden oder nicht unter den 160 ersten ist, muss man die weisse Strecke einschlagen. Es gibt allerdings noch eine dritte Klippe, die man ueberwinden muss, um die schwarze Strecke einschlagen zu koennen: den medizinischen Test. Ein Arzt schaut sich die Athleten an  und beurteilt, ob sie koerperlich in der Lage sind, die letzten 10 Kilometer zu bewaeltigen. Dabei stellen sie Fragen und diejenigen Teilnehmer, die sich an ihren Namen oder Geburtstag nicht mehr errinnern koennen, werden aus Sicherheitsgruenden ebenfalls aussortiert. Dies hatte ich viele Male in den zahlreichen Norseman Filmen gesehen und Bente und Stein gingen nun auf dem letzten Kilometer die moeglichen Fragen mit mir durch. Immer wieder repetierte ich meinen Namen, meine Startnummer und meinen Geburtstag. Und was passierte am Kontrollposten? Gar nichts. Keiner wollte mit mir reden und ich ging einfach schnellen Schrittes hindurch. Alles klar, wenn der medizinische Test nicht notwendig ist, sah ich wohl nicht so schlecht aus. Nun konnnte wirklich ueberhaupt nichts mehr passieren. Ich hatte das Nadeloehr KM 32.5  innerhalb der Cut-off Zeit von 14:30 Stunden und unter den ersten 160 Teilnehmern passiert. Theoretisch gab es noch den zweiten Cut-off bei KM 37.5 (15:30 Stunden) aber da haette ich mir schon ein Bein brechen muessen um dies nicht zu schaffen. Zumal die Strecke ab KM 35 und bis zum Uebergang auf den felsigen Schlussanstieg deutlich flacher wird. Hier konnte ich sogar wieder vom Gehen ins Laufen uebergehen. Die ersten Laufschritte waren recht steif und schmerzhaft aber nach und nach ging es fluessiger. Ich machte weiterhin Plaetze gut und hatte Blut geleckt. Das Minimalziel “schwarzes T-shirt” war praktisch im Sack, nun wollte ich eine so gute Plazierung wie moeglich herausholen und unter 14 Stunden kommen.

Stein war mit seinem Fahrrad neben mir und noetigte mich, eine weitere Banane reinzudruecken. Bente war mit Nina im Auto vorrausgefahren und machte die beiden Rucksaecke klar, die wir ab KM 37.5 mit uns fuehren mussten. Der Inhalt der Saecke ist genau vorgeschrieben und wird auch kontrolliert (Warme Kleidung, Stirnlampe, Mobiltelefon, Nahrung, Getraenke und Bargeld fuer die Kaffeteria auf dem Gipfel).

Der Gebirgspfad, die letzten 4.7 Kilometer zum Ziel beginnt recht flach und ist angenehm zu laufen. Ich lief vorraus und Bente trabte mit dem grossen Rucksack, der mit Daunenjacken gefuellt war, hinter mir her. Es ging zuegig vorwaerts, auf den flacheren Stuecken liefen wir, auf den steileren gingen wir.


Optimismus 2 km vor dem Ziel.                                                                        Photo: Bente

Das letzte Stueck ist recht steil, hier muss man teilweise auch die Haende zur Hilfe nehmen. Geschaetzte 500 Meter vor dem Gipfel zog ein Konkurrent an mir vorbei. Ich hatte natuerlich grosse Lust zu kontern, musste aber schnell einsehen, dass ich hierzu keine Kraft mehr hatte. Auch musste ich einsehen, dass es nicht klappen sollte, unter 14 Stunden zu bleiben.

Schwere Beine auf den letzten Metern                          Photo: Bente

Die letzten 150 Meter sind eine Art Felsentreppe und hier war nun die Luft vollens raus. Ich konnte kaum noch ein Bein vor das andere setzen, aber das Ziel war in greifbarer Naehe. Als Bente mir anerkenned auf den Ruecken schlug, strauchelte ich und waere beinahe den Abhang runtergekugelt.

Der Zieleinlauf ist grandios, ich war total erschoeopft aber uebergluecklich. 4 Jahre hatte ich an diesen Moment gedacht und ich hatte viel daran gedacht, was denn so alles schief gehen koennte, wo die groessten Herausforderungen lagen und auf was ich mich vorbereiten musste. Nur an eins hatte ich nicht zu glauben gewagt: dass es so reibungslos klappen wuerde, dass ich den Tag so geniesen konnte. Die Taktik war voll aufgegangen. Kontrolliert schwimmen, zurueckhaltend radfahren, gut ernaehren und so viel Kraft wie moeglich fuer den Lauf sparen.


Im Ziel auf dem Gaustatoppen mit Super-support Bente.      Photo: Bente

Fuer die Laufetappe hatte ich 5:20 Stunden gebraucht und hatte das Ziel als insgesamt 90.  in total 14:16 Stunden erreicht. Damit war ich super zufrieden. Am meisten hat mich ueberrascht, dass ich nur einen ordentlichen Durchhaenger hatte – am Immingfjell - es aber ansonsten natuerlich muehsam aber nicht annaehernd so brutal war, wie ich befuerchtet hatte.

Auch das ist mir noch nie passiert: Interview nach Zieleinlauf.    Photo: Bente

Lohn der Muehen: Ein T-shirt (und ein Erlebnis, das du nie vergisst). Photo: Bente

Riesengrossen Dank an das beste Support-team: Stein, Nina und Bente.                      Photo: Bente

Finisher-bild: Weggefaehrten - keine Konkurrenten                                                                                                                Photo: Delly Carr